Monatsarchiv Januar 27, 2023

Länger Jungbleiben mit Spermidin?

Für immer jung und fit bleiben – Diesen Wunsch haben wohl viele Männer und Frauen, insbesondere, wenn sie die ersten Alterserscheinungen bemerken. Fältchen im Gesicht, graue Haare und ein Zwicken und Zwacken in den Gelenken erinnern uns daran, dass unsere körperliche, aber auch geistige Verfassung im Alter stetig nachlassen wird. Mit gesunder Ernährung und körperlicher Ertüchtigung können wir zumindest ein Stück weit gegen den Alterungsprozess angehen. Wissenschaftler suchen seit jeher nach Möglichkeiten, die Lebensspanne des Menschen zu verlängern. Eine vielversprechende Substanz ist dabei in den letzten Jahren besonders in den Fokus gerückt: Spermidin. Kann Spermidin den Alterungsprozess verlangsamen?

Was ist Spermidin?

Spermidin ist ein körpereigenes Polyamin, Seinen Namen hat es, weil es erstmals in der männlichen Samenflüssigkeit entdeckt wurde. Tatsächlich kommt es aber in jeder unserer Zellen vor. Es wird von bestimmten Darmbakterien produziert und kann ebenfalls über die Nahrung aufgenommen werden. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Spermidin eine Schlüsselrolle in der Autophagie spielt.

Was ist Autophagie?

Unter Autophagie versteht man einen Selbstreinigungsprozess des Körpers. Dabei werden alte und beschädigte Zellbestandteile abgebaut und wiederverwertet, sodass die Zellen funktionstüchtig bleiben. Im Rahmen der Autophagie werden außerdem Krankheitserreger abgewehrt. Diese Recycling-Maßnahme des Körpers ist also ausgesprochen wichtig für die Regeneration und Gesundheit der Zellen. Sie hält uns fit. Funktioniert sie nicht oder nur eingeschränkt, ist man anfälliger für Infektionskrankheiten, Demenz, Parkinson, Diabetes, Morbus Crohn und viele weitere Erkrankungen. Der Alterungsprozess wird beschleunigt. Deswegen ist es sinnvoll, die Autophagie gezielt zu fördern.

Wie genau die Autophagie funktioniert, ist uns noch gar nicht so lange bekannt. Dass es sie gibt, stellten Wissenschaftler bereits in den 60er-Jahren fest, doch richtig erforscht hat sie erst der japanische Zellbiologe Yoshinori Oshumi in den 90ern. Im Jahr 2016 wurde er für seine Entdeckungen mit dem Nobelpreis der Medizin ausgezeichnet, was neue Aufmerksamkeit auf die Autophagie und ihre Potenziale lenkte.

Autophagie ankurbeln

Der Spermidingehalt nimmt im Laufe des Lebens ab, sodass die Fähigkeit zur Autophagie nachlässt. Deshalb wird es mit zunehmenden Alter immer wichtiger, seinen Spermidinbedarf mit der passenden Ernährung zu decken. Gute Spermidin-Quellen sind unter anderem Sojabohnen, grüne Erbsen, reifer Käse wie Cheddar, einige Muscheln, Champignons, Haselnüsse und Weizenkeime. Letztere werden mittlerweile gerne verwendet, um Nahrungsergänzungsmittel mit einem hohen Spermidin-Gehalt herzustellen. Wer es nicht schafft, ausreichend Spermidin zu sich zu nehmen, kann so unkompliziert mit entsprechenden Kapseln nachhelfen.

Doch nicht nur was man isst, hat Einfluss auf die Autophagie, sondern auch das Wieviel. Die Autophagie wird nämlich durch Stressreize angekurbelt. Fasten ist ein solcher Stressreiz. Schon lange ist bekannt, dass Fasten und Kalorienreduktion einen positiven Effekt auf die Lebenserwartung haben sollen. Dies kann zum Teil mit der Förderung der Autophagie erklärt werden. Intervallfasten und Fastenkuren sind eine gute Möglichkeit, die Selbsterneuerung der Zellen zu unterstützen. Eine weitere Möglichkeit ist Sport, denn auch die körperliche Ertüchtigung versetzt den Körper in den benötigten Stresszustand, um Autophagie verstärkt zu betreiben. Bestenfalls werden die verschiedenen Wege kombiniert. Eine spermidinreiche, kalorienreduzierte Ernährungsweise mit ausreichend Bewegung und gelegentlichen Fastenkuren unterstützt den Körper besonders gut bei der Autophagie.

Kann Spermidin wirklich das Leben verlängern?

Spermidin und seine Auswirkungen auf die Autophagie und den menschlichen Körper müssen weiter untersucht werden. Bisher gibt es nur wenig belastbare Ergebnisse, aber zahlreiche vielversprechende Hinweise auf die begehrte Anti-Aging-Wirkung. So konnte zum Beispiel bereits nachwiesen werden, dass Hefezellen, Fliegen und Fadenwürmer länger als ihre Artgenossen leben, wenn ihnen zusätzliches Spermidin verabreicht wird. Auch bei Mäusen konnten Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Graz Effekte nachweisen. So wiesen Mäuse, welche Spermidin erhalten hatten, deutlich weniger alterungsbedingten Haarverlust sowie weniger Leber- und Nierenschäden als eine Kontrollgruppe auf und erzielten außerdem bessere Ergebnisse bezüglich der Glukoseversorgung im Hirn. Zudem wurde ein herzschützender Effekt festgestellt. Diese Erkenntnisse sind zwar nicht direkt auf den Menschen übertragbar, da Alterungsprozesse bei Mäusen und Menschen jedoch ähnlich ablaufen, könnte eine erhöhte Spermidin-Zufuhr auch uns vor altersbedingten Erkrankungen schützen. Aussagekräftige Forschung am Menschen gibt es bisher viel zu wenig. Einem internationalen Forscherteam, das von der Medizin Uni Innsbruck geleitet wird, gelang es nun erstmals, den Anti-Aging-Effekt von Spermidin für den Menschen nachzuweisen. In einer Langzeitstudie, die 2018 veröffentlicht wurde, kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Menschen, die täglich viel Spermidin über die Nahrung zu sich nehmen, also mindestens 12 Gramm, rund fünf Jahre länger leben, als Menschen mit einer spermidinarmen Ernährungsweise. Allerdings ist auch diese Studie allein noch nicht aussagekräftig genug. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren weitere Forschungsergebnisse zu Spermidin veröffentlicht werden und dann eindeutigere Aussagen in Bezug auf die lebensverlängernden Potenziale getroffen werden können.

Fazit

Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, welche Wirkung eine erhöhte Spermidinaufnahme auf den menschlichen Körper hat, so gibt es Anlass zu hoffen. Natürlich handelt es sich nicht um ein Wundermittel, mit dem wir alle 120 werden, doch zahlreiche Anhaltspunkte weisen darauf hin, dass uns eine spermidinreiche Ernährung helfen kann, den Alterungsprozess effektiv zu verlangsamen. Alterungsbedingte Krankheiten können möglicherweise reduziert und die körperliche und geistige Fitness länger bewahrt werden.